Ahimsa (a – nicht, himsa – Gewalt, Abwesenheit von Gewalt, Gewaltlosigkeit) ist ein Aspekt von Yama, dem ersten Glied des achtgliedrigen Pfades im Patañjali Yoga Sutra (P.Y.S.). Im Beitrag zum Thema „Eis-Sein durch Meditation“, habe ich die acht Glieder schon einmal beschrieben.
Ahimsa beschreibt die Abwesenheit von Gewalt oder die Gewaltlosigkeit, eine Haltung gegenüber unserer Umwelt, also gegenüber unseren Mitmenschen, Tieren, Pflanzen und auch gegenüber unseres gesamten Planeten. Es ist eine Qualität, die der Spezies Mensch innewohnt, Mitgefühl (karuna) und Liebe (maitri) empfinden zu können, zu unterscheiden, was richtig und was falsch ist, beziehungsweise was recht und unrecht ist. Trotzdem unterliegen wir oft der falschen Wahrnehmung oder dem falschen Verständnis (avidya) in verschiedenen Situationen unseres alltäglichen Lebens, vor allem in der Begegnung mit unserer Familie, mit Freunden und Kollegen. Wenn wir uns innerfamiliär in unserem Reden und Handeln schon oft falsch verstehen oder gar misstrauen, wie ergeht es uns dann mit fremden Kulturen, deren Sprachen und Handlungen uns fremd sind, mit Tieren, die einer anderen Gattung angehören und sich schon äußerlich stark von uns unterscheiden und deren Verhalten wir oft nur interpretieren können?
Was der Mensch nicht kennt, macht ihm oft Angst. Er folgt hier zunächst einmal seinem Urinstinkt um sich zu schützen. Allerdings leben wir im 21. Jahrhundert. Unser Gehirn sollte sich im Laufe der Evolution soweit entwickelt haben, dass wir vor gewissen Dingen keine Angst mehr zu haben brauchen. Wir töten harmlose Insekten, weil sie uns nerven oder wir uns ekeln, vom Umgang mit unseren Nutztieren ganz zu schweigen. Wir schlagen unsere Kinder, Männer sterben in unsinnigen Kriegen und weltweit werden Mädchen und Frauen dem grausamen Ritual der Genitalverstümmelung unterzogen.
Dieses Thema ist schon lange kein rein afrikanisches Problem mehr. Während die Zahl der verstümmelten Frauen in Afrika rückläufig ist, steigt sie durch die Flüchtlingsströme aus Afrika, vor allem hier in Europa und somit natürlich auch in Deutschland. Doch es ist nicht nur so, dass die Frauen und Mädchen verstümmelt nach Europa kommen, sondern sie werden, selbst wenn sie schon lange Zeit hier leben, im „Afrika-Urlaub“ diesem Ritual unterzogen und kommen dann verstümmelt an Leib und Seele wieder hierher zurück. Aber auch hier in unserem zivilisierten Deutschland werden Mädchen verstümmelt, in Hinterhöfen, alten Fabrikgebäuden, Hotelzimmern durch „professionelle Beschneiderinnen“, mit Rasierklingen, Scheren, Glasscherben. Aber auch durch Ärzte, die sich auf diese Weise ein Zubrot „verdienen“. Letztendlich geht es bei all diesen Gewaltakten um Macht und Machtmissbrauch, um Dominanz, die auf Ängsten begründet ist.
In Deutschland soll per Gesetz die Impfpflicht für alle Kinder eingeführt werden, ebenso wird gerade darüber gesprochen, Plastiktüten gesetzlich zu verbieten. Da sollte es doch, ebenso wie in Frankreich, möglich sein, FGM (female genital mutilation – weibliche Genitalverstümmelung) per Gesetz zu verbieten und rechtlich zu verfolgen, auch wenn Frauen und Mädchen hier leben, in ihren Ursprungsländern verstümmelt und anschließend wieder nach Deutschland zurückkehren. Die Forderungen, die die Desert Flower Foundation stellt, sind, vor allem hier zu Lande, durchaus umsetzbar. Wie das möglich ist und auch die Unversehrtheit der Mädchen dauerhaft gewährleistet werden kann, kannst Du unter dem unten stehenden Link der Desert Flore Foundation und NALA e.V nachlesen.
Solange auf unserem Planeten auch nur noch ein einziges fühlendes Wesen leidet, ob Mann, Frau, Kind oder Tier, solange wird kein Wesen wirklichen Frieden finden. Wir alle können etwas tun, um die Gewalt, die wir uns selbst und anderen antun, im Großen wie im Kleinen, zu mindern, Leid zu lindern und Liebe und Mitgefühl in uns kultivieren. Der Weg von Angst und Mangel zu Liebe und Erfüllung führt über Vertrauen. Vertrauen darin, dass für alle und alles gut gesorgt ist. Vielleicht gelingt es uns mit der Zeit so viel Vertrauen zu erlangen, dass wir bereit sind unsere Herzen zu öffnen für alle leidenden Wesen und für uns selbst und unser Leid.
Im asiatischen buddhistisch geprägten Raum, gibt es die Vorstellung des Bodhisattva (erwachtes Wesen) des unendlichen Mitgefühls. In China wird er als Kwan Yin (weiblich) verehrt, in Tibet als Avalokiteshvara (männlich). Dieser Bodhisattva hat Erleuchtung erlangt. Er verzichtet auf den Übergang ins Nirwana, um allen Wesen zu helfen, sich ebenfalls aus dem Kreislauf des Leidens zu befreien. Erst dann geht er selbst ins Nirwana. Er gilt als Schutzpatron für Frauen und Kinder. Der Name bedeutet „die/der aus dem Lotos geborene“. Die Legende sagt, dass sie/er die Schreie aller Not leidenden Wesen hört und ihnen Trost, Liebe und Mitgefühl schenkt.
Wie lange es auch noch dauern mag, ich hoffe, dass die Schreie irgendwann aufhören und alle Wesen dem Bodhisattva ins Nirvana folgen.
lokāḥ samastāḥ sukhino bhavantu
oṃ śantī, śantī, śantīḥ
Mögen alle Welten eins sein.
Mögen alle Wesen in allen Welten glücklich sein.
Mögen mein Denken, meine Worte und Handlungen zum Wohlergehen aller Wesen beitragen.
Oṃ Friede, Friede, Friede.
Wenn Du Dich weiter über das Thema FGM (female genital mutilation – weibliche Genitalverstümmelung) informieren möchtest, kannst Du die nachstehenden Links anklicken. Sie führen dich zu den Seiten zweier großartiger und starken Frauen, die selbst Betroffene von fgm sind. Der Menschenrechtlerin, UN-Sonderbotschafterin und Autorin des Bestsellers „Wüstenblume“ Waris Dirie und der von ihr gegründeten Desert Flower Foundation und der ebenso engagierten Fadumo Korn, die 2011 die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland für ihren Einsatz gegen fgm erhielt.
Youtube-Videos zum Thema findest Du in der Mediathek.
Waris Dirie – Desert Flower Foundation
www.desertflowerfoundation.org
Fadumo Korn – NALA e.V.